fronleichnam gesegnet sei der ort und alle, die hier wohnen, die früchte der erde und die werke der hände. im namen des vaters, des sohnes und des heiligen geistes. amen. der pfarrer bewegt die monstranz bei im namen des vaters himmelwärts, im namen des sohnes zur erde hin, und bei im namen des heiligen geistes von der linken schulter zur rechten. weil die mostranz ein godener lichtsteifenkranz rund um die hostie ist, schaut es so aus, als bewegte er sie im kreis. der see ist ruhig, die trisselwand von der sonne beschienen. wir stehen neben dem spielplatz auf dem die schaukler und rutscher pause machen und zum altar hinüberschauen. der ist an der wand einer holzhütte befestigt. ein altes jesusbild, blumengeschmückt, von grünenden birkenzweigen umgeben. warum seien nur die werke der hände gesegnet? weil wir am land sind? der pfarrer hat eine schöne stimme und wenn er aus dem evangelium liest, dann klingt es, als läse er den text zum ersten mal. so viel staunen und konzentration. er ist ein guter seelsorger, doch die seelen die von ihm versorgt werden wollen, werden immer weniger. es sind großteils fünfzig plus seelen und zehn minus seelen. nur ein elternpaar hatte sich in die prozession eingegliedet. der vater schiebt den kinderwagen, das mittlere kind sitzt auf den schultern seiner mutter, und die älteste tochter geht neben den eltern, einen kleinen rucksack am rücken. ein mann mit zerstubelten haaren, wie die meisten hier in der alten tracht kleidet, sagt: es sind viele kinder hier, drum singen wir gottes liebe. gottes liebe ist einfach: sie ist groß, tief, weit und dazwischen wird geklatscht. da kann jeder mittun, auch wenn er das lied nicht kennt – so wie wir. jetzt formiert sich die salinenmusik: männer und frauen in dreierreihen in den alten schwarzen uniformen der bergleute, eine schwarze kappe mit einem weissen federbuschen auf dem kopf. die salinenmusik spielt zu allen festlichen gelegenheiten im dorf. um gotteslohn. so wie es der brauch ist. jetzt spielen sie den ausseer faschingsmarsch, in feierlich getragenem tempo. das ist doch der faschingsmarsch? oder täuschen mich meine ohren? höre ich den faschingsmarsch nur, weil ich ihn so gern hören will? der salinenmusik folgen die beiden fahnenträger und denn fahnenträgern folgen die ministrantinnen. hinter ihnen der himmel, getragen von drei alten männern und einem jungen. wie kommt dieser teenager zum himmeltragen? unter dem himmel trägt der pfarrer die schwere monstranz mit beiden händen vor der brust. er hat ein neues messgewand. ein weisses, schlichtes mit einem gelben kreuz. trüge er wie sein vorgänger eines der alten prächtigen messgewänder unter dem alten prächtigen himmel, die prozessionspitze wäre zeitlos, trügen auch die ministrantinnen nicht nur weisse kutten, sonder über roten kutten weisse spitzengewänder, so wie damals. damals, als meine mutter meiner schwester die blonden, glatten seidenhaare in ein lockenstabverbranntes gekräusel verwandelte, weil ihr locken zu einem so feierlichen anlass gottgefälliger schienen. meine schwester spritzen die tränen aus den augen als sie sich im spiegel sah und nur das schöne weisse kleid und das mit pfingstrosenblättern gefüllte körbchen konnten sie ein wenig trösten. vielleicht hasst sie die katholische kirche heute deshalb so sehr? wir biegen auf den schmalen weg zur mittleren dorfwiese ein, die weissen buschen federn nun im gänsemarsch, der himmel hängt ein wenig schief. der pfarrer geht mit seiner mostranz hinten nach. der weg ist so schmal, da kann nur einer dem anderen folgen. am hinteren ende einer sackgasse angelangt, wird es wieder breiter. wir kommen zum zweiten altar. auch er: blumenbekränzt, von frischen birkenreisern umgeben. der pfarrer steht mit der hostie im strahlenkranz vor dem altar. die zwei fahnenträger daneben. hl. ägydius bete für uns. der ortspatron schaut aus wie jesus und licht wird vom himmel auf ihn herabgeschüttet. nicht ganz schulterbreit ist das licht. die fahne des hl. ägydius ist dunkelrot. die auf der christus abgebildet ist, ist elfenbeinfarben. christus sieht aus, wie der hl. ägydius. gesegnet sei dieser ort und alle, die hier wohnen, die früchte der erde und die werke der hände. dieser altar ist an einem wohnhaus angebracht. am balkon des nachbarhauses steht ein blumenbekränztes marienbild zwischen zwei brennenden kerzen. die muttergottes mit ihrem kleinen sohn am arm. warum gibt es kein bild auf dem die muttergottes das kind auf den schultern trägt? würde man sie dann für eine x-beliebige frau mit kind halten? der pfarrer kündigt an, dass hier, an diesem altar, für unser land und sein volk gebetet würde. seine worte erschrecken mich. doch dann liest er vor, wie jesus 5000 hungrige menschen mit 5 broten und 2 fischen so satt gemacht hat, dass noch körbe voller essen übrig blieben. die fürbitten schließen alle völker der erde ein. alle menschen mögen in frieden und ohne zu hungern miteinander leben. der pfarrer betet für unser land, indem er gott um seinen segen für alle menschen in allen ländern bittet. wir sind doch nur ein land unter vielen sagt er ohne worte und alle die, woher immer sie auch kommen, in unserem land in frieden miteinander leben, sind das volk. dann bittet er um arbeitsplätze und wohlsatnad für alle menschen in unserem land. gut gemacht. herr pfarrer. wirklich gut gemacht. auf dem balkon flankieren ein mann in tracht und einen frau im dirndl das marienbild. bewegungslos. sind die beiden ausgestopft und puppen, so wie die dichter wie im literaturmuseum des dorfs? der strubbelkopf bittet die anwesenden ehre sei gott in der höhe zu singen und da bewegen sich die münder der balkonfiguren. kleine mädchen mit blumengefüllten körbchen streuen blüten vor dem altar und die prozession setzt sich erneut in bewegung. raus aus der sackgasse auf die hauptstraße des dorfs. die salinenmusik spielt einen feierlichen marsch. dann schweigen alle instrumente bis auf die trommel sie verwandelt die prozession in eine truppe soldaten, die in den krieg zieht. es beginnt zu regnen. einzelne tropfen nur zunächst. dann im tempo, das der trommelschläger vorgibt. wir ziehen durch den ort, an blumengeschmückten heiligenbildern vorbei. wo sind die seitelpfeifer? haben sich nicht die trommeln der franzosen und die pfeiferl der ausseer schon vor 200jahren friedlich vereint? eine frau hält mit ihren schirm über den kopf. danke sag ich und möchte lieber nass werden. ich muss es erst lernen, christliche nächstenliebe anzunehmen. die frau raunt mir zu, dass immer weniger menschen an der fronleichnamsprozession teilnähmen und dass die katholiken hier wohl bald angefeindet werden würden. wenn das gebet des pfarrers von gott nur ein wenig erhört wird, dann müssen wir uns keine sorgen machen, sag ich und weiss wieder warum meine schwester die katholische kirche hasst. bigott. alle bigott, sagt meine schwester. wir brauchen mehr licht, sagt die, die mich beschirmt. licht kann von überallher kommen, sag ich und zu meinem erstaunen stimmt sie mir zu. glauben wollen genügt, sagen die chassidim.. wir sind beim dritten altar angekommen der vor der aus dem 18.jahrhundert stammenden pestsäule, der dreifaltigkeitssäule, aufgebaut ist. weil es immer stärker regnet, werden immer mehr schirme aufgespannt. gesegnet sei dieser ort und alle die hier wohnen, die früchte der erde und die werke der hände und des geistes. hat der pfarrer die früchte des geistes bei den ersten beiden altären nur vergessen? wir beten für die armen und kranken und die, die schon gestorben sind. der strubbelkopf verzichtet auf ein lied . die, die mich beschirmt geht weiter an meiner seite. wir schweigen bis zum vierten altar. der ist in der kleinen, nach drei seiten geöffneten kapelle neben der kirche errichtet. nun regnet es in strömen. der pfarrer und seine helfer stehen im trockenen und aus sorge, seine schäfchen könnten allzu nass werden, liest und betet der pfarrer schneller. dem schlusssegen folgen keine drei strophen großer gott wir loben dich, wie es sonst der brauch ist. unterschätzt der pfarrer seine gläubigen nicht? in dieser gegend ist der regen doch alltäglich. diese gegend ist berühmt für seine ausdauernden regenfälle. alles wächst und gedeiht und die landschaft ist so grün, wie sonst kaum wo. danke, sag ich zu meiner schirmherrin und auf wiedersehen. dann flüchten wir in die kirche und warten, dass es zu regnen aufhört. großer gott wir loben dich, herr, wir preisen deine werke summen wir und zünden kerzen an. mehr licht brauchen wir, hat sie gesagt. bitte. zwei kerzen und mehr licht für kurze zeit. beim hinausgehen seh ich, wie der strubbelkopf und der junge himmelsträger gemeinsam zum auto gehen. aha, deshalb, denk ich. aha. deshalb. gesegnet sei dieser ort und alle, die hier wohnen, die früchte der erde und die werke der lenden.
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